Groß-Krössin heute – und – damals
Seit Jahren hege ich den Wunsch, einmal mein Ferienparadies, die Heimat meiner Mutter, wiederzusehen. Endlich ist es soweit, endlich!
Vetter Rudi Dorow organisierte die dritte Busreise nach Groß-Krössin. Mein Mann Willi begleitet mich. Ich freue mich und bin sehr gespannt.
Was erwartet mich???
Meine Gedanken gehen fünfzig Jahre zurück.
Am 11. August 1944 verstarb mein Großvater. Wir, meine Mutter, Ewald, Klein-Angelika und ich, sogar mein Bruder fahren zur Beisetzung.
Hermann hat einige Tage Sonderurlaub. Es sollte das letzte Wiedersehen mit meinem Bruder sein. Als wir mit der Kutsche zur Abreise zum Bahnhof Villnow gebracht wurden, war Hermann auf dem Feld und bearbeitete mit dem Pflug und zwei Pferden das Land. Er kam zur Chaussee, wir verabschiedeten uns, und er verschwand mit den Pferden hinter einem Hügel. Ein Bild, das ich in der Vergangenheit oftmals vor Augen hatte und nie vergessen werde!
Gerne wäre er Agrarwirt geworden. Nach seinem Abitur hatte er sich in der Landwirtschaftlichen Hochschule Stettin immatrikuliert. Das Schicksal wollt es anders, ganz anders!
Wir wohnen im Hotel &dbquo;Polanin“ in Bad Polzin, ein ehemals sehr geschätzter Bade- und Kurort (Moorbäder, Mineralquellen) im Kreis Belgard. Heute ist es trostlos und ungepflegt.
Meine Großmutter Anna Fritzke, geborene Mundt, ist hier geboren und als Kind nach Berlin gezogen.-
Von hier aus unternehmen wir Tagestouren.
Unsere erste Fahrt - wie könnte es anders sein - geht nach Groß-Krössin, heute Krosino. Wir fahren über die Persantebrücke (vor Jahren neu erbaut) halten da und steigen aus. Der Bus fährt ins Dorf bis zu Sendelbachs. Wie hat sich das Flussbett der Persante verändert! Es ist bedeutend schmaler geworden, die Ufer sind mit hohen Sträuchern bewachsen. Immer wieder schaue ich von der Brücke hinunter, und Erinnerungen werden wach.
Einst haben wir hier gebadet. Ein wirkliches Sommervergnügen.
Nun gehen wir ins Dorf. Rechts liegt der Friedhof. Die Polen haben ihn neu angelegt vor Jahrzehnten und gut gepflegt (ihren Verhältnissen entsprechend.).
Dann stehe ich vor der Kirche. Es darf nicht wahr sein! Diese einst so schmucke Kirche im Fachwerkbau mit Glockenturm. Man hat das Mauerwerk einfach grau verputzt. Die Glocke hängt in einem Holzgerüst, das neben der Kirche steht. Der Küster läutet gerade zur Sonntagsmesse. Damals gab es nur Protestanten, heute ist alles katholisch. Der Innenraum ist gepflegt und festlich geschmückt. Vor einer Woche war für die Kinder die Feier der ersten heiligen Kommunion.
Große schöne Linden stehen vor und hinter der Kirche. Ich nehme einige Blätter mit, um sie zu pressen.
Auch hier gehen meine Gedanken zurück: 6. Juli 1934. Tante Gertrud und Onkel Fritz heiraten. Der lange Hochzeitszug, voran die Musikanten, führt durch das Dorf zur feierlich geschmückten Kirche. Herrliches Sommerwetter! Der liebe Gott meinte es immer gut mit den Brautpaaren in Krössin, denn bei Tante Erika und Onkel Gerhard lachte auch der Himmel. Das war im Sommer 1936. Willi und ich gehen jetzt zum ehemaligen Gehöft meiner Großeltern Hermann Ehlert und Anna Ehlert, geborene Hackbarth. Der Dolmetscher Watzek begleitet uns. Ich sehe schon die fünf kugelförmig geschnittenen Linden im Vorgarten. Aber wo ist die Scheune, die Remise und eine große Schattenmorelle, die am rechten Ende des Vorgartens stand? Ein runder Tisch, in der Mitte der Kirschbaum und rundherum eine Sitzbank. Alles eingerahmt von einer Hecke. Ob es eine Liguster oder eine Weißdornhecke war? Ich weiß es nicht mehr. Eine ganz gemütliche Ecke! Im Vorgarten hatte Großmutter Hochstamm-Rosen. Die weißen dufteten besonders intensiv. Viele Pfingstrosen, Goldlack, Margeriten, Vergissmeinnicht und Reseda blühten zur Freude aller. Es war eine Pracht! An der Südseite der Remise rankte Wein.
Wo ist die Doppeltür und die breite Treppe davor? Bei Hochzeiten saßen hier die Musikanten und spielten zum Empfang der Gäste auf. Ich sehe Onkel Otto und Tante Martha die Dorfstraße heraufkommen, die Musik spielt, Onkel Otto entrichtet seinen Obolus. Dann wurde gefeiert - und wie!
Hinter der Doppeltür (obere Hälfte Glas) war die Diele. Hier stand ein schöner alter Schrank, an der hinteren Seite ein kleiner Tisch, darauf das Grammophon mit einem großen, hellgrünen Trichter. An besonderen Tagen, manchmal auch sonntags, erklang die schönste Musik. Tante Gertrud erzählte mir, sobald ein Hochzeitszug vorbeikam, ließ sie stets ganz laut das Grammophon erklingen.
Von der Diele aus rechts kam man in das &dbquo;gute“ Zimmer. Das wurde an Festtagen genutzt. Hier stand auch der Weihnachtsbaum. Weihnachten waren wir ganz selten in Groß-Krössin. Hier in Hinterpommern war es noch kälter als in Berlin. Nicht selten waren an den Fenstern Eisblumen mit den schönsten Motiven. Aber im Wohnzimmer nebenan mussten sie nach und nach weichen, der Kachelofen (mit Ofenbank) gab so eine wohlige Wärme ab. Lecker die Bratäpfel in der Ofenröhre!
Jetzt bin ich wieder in der Diele. Auf der linken Seite war Onkel Alberts Zimmer mit zwei großen, hohen Fenstern. Hier standen immer schöne, weiße und rote Primeln.
Damals dufteten sie. Dann und wann verirrte sich eine Biene. Auch das war &dbquo;mein Sommer“.
Wir gehen seitlich auf den Hof. Die eigentliche Hofeinfahrt gibt es nicht mehr. Die große Linde links steht noch. Die andere Linde und die Tränke mit der Pumpe, wo die Kühe sich morgens und abends labten, waren einmal. Von den Stallungen steht knapp die Hälfte, die Wasch- und Futterküche und der Schweinestall. Kuhstall und Geflügelstall einschließlich Taubenschlag sind nicht mehr. Der große Obst- und Gemüsegarten, wo wir als Kinder gerne verweilten, ist verwildert. Den Backofen dahinter suche ich vergeblich.
Das duftende Brot! Großmutter backte fünf bis acht auf einmal und ein großes Blech Streuselkuchen danach.
An der Haustür erwartete uns die jetzige Besitzerin. Im Dorf wusste man, dass die ehemaligen Groß-Krössiner heute kommen. Die Polin Maria wohnt mit ihrem Sohn, Schwiegertochter und zwei Enkelkindern hier im Haus. Sie ist erst gestern aus dem Krankenhaus in Neustettin entlassen worden, noch sehr schwach. Sie wollte uns unbedingt begrüßen.
Wir gehen ins Haus. Links die Tür ist zugemauert.
Hier war die Küche, ein länglicher Raum mit einem großen langen Tisch, einer Bank an der Wand, einem Küchenschrank und einem großen Herd. Auf einem kleinen Schrank stand eine Zentrifuge. Großmutters Butter war köstlich. Und die Buttermilch! Kleine Butterflöckchen schwammen auf der Oberfläche.
Was würde mein Cholesterinspiegel heute dazu sagen?
Von hier kam man ins Wohnzimmer mit zwei großen, hohen Fenstern. Dazwischen eine Kommode, auf der das Telefon stand, Nr. 37. Ja, Oma war immer auf dem neuesten Stand. Was sinnvolle Neuanschaffungen betraf, waren Ehlerts immer vornean!
In diesem Teil des Hauses haben die Polen eine Vorschule eingerichtet. Maria, die Polin und die Enkeltochter führen uns nach oben in ihr Zimmer. Watzek übersetzt fleißig.
Sie freut sich über den Brief, den Tante Gertrud ihr mitgeschickt hat. Tante Gertrud war schon zweimal hier. Wir haben auch einiges mitgebracht. Sie bekommt nur 120 Złoty Rente, muss die Medikamente fast alle selber bezahlen. Zahnersatz gibt es erst, wenn 75% der Zähne kaputt sind!
Im Winter war sie bei den anderen Kindern. Hier in diesem Raum ist es zu kalt. Es kann kaum was repariert werden. Neuanschaffungen sind fast unmöglich. Die jungen Leute unten sind ganz froh und stolz auf die Innenjalousetten, die sie kürzlich erworben haben. Lange mussten sie dafür sparen. Der Mann ist Busfahrer, die Frau Kindergärtnerin, arbeitslos. Der Sohn ist in Neustettin auf dem Gymnasium mit Internat. Anja geht noch in Groß-Krössin zur Schule.
Sie haben einen kleinen Nutzgarten angelegt. Der Hof ist aufgeräumt. Hühner und Zwerghühner laufen umher.
Ja damals gab es viele Hühner, die auf dem großen Misthaufen scharrten und gackerten. Der stolze Hahn fühlte sich wohl in seinem Harem. Wie gerne habe ich die Küken gefüttert: &dbquo;Schiep, schiep, schiep!“ Deshalb nannte mein Bruder mich Schiepchen. Kleine und große Enten und Gänse liefen umher. Ja, da war was los! Rechts seitlich des Hofes standen die große Scheune und die Remise. Hier legten die Hühner ihre Eier hin. Großmutter ließ es sich selten nehmen, die Eier selbst zu holen.
Vor der Scheune stand das Roßwerk. Es wurde von zwei Pferden gezogen, um das Korn zu dreschen. Das Pferdegespann lief im Kreis und hielt das Werk so in Bewegung. Das gedroschene Korn wurde zur Dorfmühle gebracht. Zu Ehlerts kamen die Erntehelfer gerne. Gute Bezahlung und Verpflegung! – Ich sehe auf dem Stoppelfeld alle im Kreis sitzen. Die Frauen hatten Schuten (Kopftücher) um. Sie wollten doch nicht braun werden. In der Mitte hatte Großmutter - sie hatte das Zweitfrühstück gebracht - den &dbquo;Tisch“ gedeckt. Zum Mittagessen kamen sie heim. An der Scheunenwand haben wir gerne Ball gespielt. Verstecken war unsere Lieblingsbeschäftigung. Es boten sich tolle Möglichkeiten! Hermann, Lieselotte und manchmal auch die Stettiner machten mit, Anneliese, Werner und Walter. Das waren zwei Rowdies! Oma schimpfte oft mit ihnen (mit uns seltener!). Tante Gertrud sagte, dass Walter bei Jandts einer Ente den Kopf abgedreht hat. Tante Anna, die Mutter von den Wilden, hatte ihre Last mit ihnen.
Am Ende der Scheune links war ein kleiner Stall. Hier hatte Tante Hannchen, die Mieterin, ihre zwei Ziegen. Sie legte gerne Karten. Mir nicht! Hinter dem Stall waren zwei Plumpsklos. Sie sind heute noch an der gleichen Stelle. Stehen einsam und verlassen da! Dahinter die große Wiese und der Bach, die Grenze Ehlert-Wetzel. Es ist fast zugewachsen. Wie gerne haben wir hier gespielt! Schöne Erinnerungen werden wieder wach.
Wir gehen ins Dorf, kommen zu Dorows Haus.
Hier wohnten Onkel Robert, Tante Frieda mit Lieselotte und Rudi. Sie hatten eine Gastwirtschaft und ein Kolonialwarengeschäft. Alles konnte man hier bekommen. Viele Düfte konkurrierten: Heringe im Fass, Rübenkraut (Kreude), Eimer, Holzpantinen und viel, viel mehr. Die leckeren, losen Bonbons: dicke Himbeeren, große goldene mit Schokolade gefüllte und die roten und grünen, säuerlichen Stachelbeeren schmecken mir heute noch. Gerne bin ich hier gewesen. Wir haben gespielt oder sind durch den Garten zur Schule gegangen. Einige Male habe ich auch am Unterricht teilgenommen.
Bei Jandts (Abbau) sind wir kurz. Werden freundlich empfangen. Die Polin gibt mir Trudes Poesiealbum, will Kaffee kochen, aber der Bus wartet auf uns.
Ja, hier habe ich auch unvergessliche Stunden mit Trude und Irmgard verlebt. Der Weg dorthin führte durch Felder und Wiesen. Einige Birken säumten den Weg. Manchmal fuhren wir auch mit den Rädern. Heute ist es eine asphaltierte Landstraße. Ich erinnere mich an das alte Haus. Wir sitzen am Küchentisch, die Petroleumlampe hängt darüber. Tante Martha hat leckere Kliebensuppe gekocht. Onkel Otto, ein ruhiger Typ, aber mit Mutterwitz, bringt uns unentwegt zum Lachen!! Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich glaube, er hat auch Mundharmonika gespielt. Seitlich vom Haus, hinter dem Backofen, standen Fichten und eine große Eberesche. Lange Ketten bastelten wir uns. Im Wald ganz in der Nähe waren wir auch gerne. Wenn wir drei abends in den Betten lagen, kamen wir nicht zur Ruhe. Es wurde gesungen und geschwatzt. Ja damals, damals!
Ich möchte gerne zum Haus, wo Tante Erika, Onkel Gerhard und Winfried gewohnt haben.
Ich bin angenehm überrascht. Das Haus sieht gut erhalten aus. Der Vorbau (Eingang) und links der Weingarten sind nicht mehr. Sieben Familien wohnen jetzt hier.
Es war ein herrschaftliches Anwesen. Frau Maass, die Schwiegermutter von Tante Erika, war immer sehr nett und gastfreundlich.
Bis vor kurzem war hier eine Schweinezucht. Wir gehen durch den einst so schönen Park. Trostlos, Alles verwildert! Vom Fischteich nichts mehr zu sehen, nur noch ein Tümpel! Beim Ausgang ist das Tor verschlossen, wir klettern durch das Loch im Zaun. Wir fahren zum Bahnhof Villnow. Hier hat sich nicht viel verändert. Dorows Fahrzeugwaage ist sogar noch da. Im Bahnhofsinnengebäude riecht es wie damals!
Von Berlin, Stettiner Bahnhof, fuhren wir nach Belgard, stiegen hier um in den Zug nach Neustettin. Villnow war unser Ziel, Groß-Krössin 4-5 km weiter. Onkel Albert oder Onkel Hermann holten uns mit der Kutsche und später mit dem Auto ab.
Eine nette Episode fällt mir ein: Wir sind mal wieder in Groß Krössin. Meine Mutter hat für jeden ein Mitbringsel. Sie gibt meinem Bruder (ca. 3 ½ Jahre) eine Kiste Zigarren und sagt: &dbquo;Diese bring bitte dem Opa.“ Er geht zu Oma und sagt: &dbquo;Das ist für Ihren Mann.“ Meine Mutter hat oftmals darüber gelacht - und wir auch. Er war ein ganz goldiger Kerl, den ich über alles liebte. Viel später sagte er mir mal: &dbquo;Schiepchen, ich habe Dich manchmal verpetzt. Verzeih mir! Wenn ich mal groß bin, und Du bist klein, dann kannst Du Dich revanchieren.“
Tante Gertrud, Tante Erika und Tante Erna verwöhnten uns stets, desgleichen Onkel Albert und Onkel Hermann. Wir putzten gerne ihre Schuhe. Sie waren großzügig mit Trinkgeld und Bonbons. Onkel Hermann war ein schneidiger Soldat, Zwölfender. Heute sagt man wohl Zeitsoldat. Er besuchte uns oft in Berlin, besonders nach dem plötzlichen Tod meines Vaters (10.12.1932). Ich glaube, er hat damals versucht, meinen Vater zu ersetzen. Das war sehr schwer, aber in gewisser Weise ist es ihm gelungen. Danke! Auch später habe ich es so gesehen.
Nach Belgard, wo Tante Grete und Onkel Albert (von meiner Mutter) eine Bäckerei hatten, fahren wir auch. Die Straßenzüge, wo sie wohnten, sind alle im Krieg zerstört worden. Hier lebten sie mit ihren Kindern Herbert, Erika, Reni und Sigi.
Der Duft von Brot und Gebäck zieht durch meine Nase. Die leckeren Schnecken! Ein lauschiger Innenhof mit vielen Blumen und Ranken.
Weiter geht es nach Köslin. Hier hat sich sehr viel verändert. Ich kenne mich nicht mehr aus. Einige Monate war ich mal hier bei Tante Leni, Onkel Hermann und Cousinchen Melanie und später mit Klein-Angelika. Eine wunderschöne Zeit!
In Kolberg sind wir einige Stunden. Das einstmals so berühmte Ostseebad wurde im zweiten Weltkrieg zu 80% zerstört. Es ist zum Teil wieder gut aufgebaut.
Auch hier habe ich glückliche Erinnerungen. Wenn meine Mutter, Hermann und ich ca. 14 Tage in Krössin waren, kam mein Vater und blieb zwei bis drei Tage. Tante Gertrud erzählte mir kürzlich, dass mein Vater während des Aufenthaltes in Krössin sich nur um Hermann und mich kümmerte und mit uns spielte. Er war überhaupt ein sehr guter Vater gewesen. Wie beglückend, das nochmals bestätigt zu bekommen!
Wir fuhren 14 Tage nach Kolberg.
Hier lernte ich die Ostsee kennen und lieben. Später dann Heringsdorf und Ahlbeck. Danach Zoppot, Danzig und die Kurische Nehrung. Meine Großmutter und ihre Töchter waren gute Köchinnen. Ich denke an Zitronencreme, Buttermilchspeise, Buttermilchkartoffeln, Schwarz-sauer, Gänsebraten, geräucherte Gänsebrust, Gänseflom usw. Geschlachtet wurde natürlich auch nicht selten!
Großvater habe ich als stillen, arbeitsamen Mann in Erinnerung. Er rauchte gerne seine Pfeife und auch Zigarren. Oft wurde bei Ehlerts Karten gespielt, besonders im Winter. Die Töchter saßen aber auch am Spinnrad, sie hatten auch einen Webstuhl.
Feste wurden gerne gefeiert, Schützenfest, Erntedankfest und Feuerwehrfest. Ich sehe Onkel Albert hoch zu Ross, das Pferd mit bunten Bändern geschmückt und Onkel Albert weiß gekleidet. Schick! Abends war in Sendelbachs Saal der Ball. Ein Stündchen, vielleicht auch zwei durfte ich auch dabei sein.
Rudi unternahm mit uns auch eine Wanderung um den Sappingsee, durch den Schleusenwald zur Försterei.
Hier im Schleusenwald fanden wir damals Pfifferlinge, Blaubeeren, Preiselbeeren, auch Isländisch Moos.
Die Umgebung von Groß-Krössin ist wunderschön – weite Strecken unberührte Natur! Manchmal glaubte ich, die Zeit wäre stehengeblieben: Verträumte Seen, einer nach dem anderen. Hohe grobborkige Birken am Wegesrand, auch Ginster, Levkojen, Wollgras, Kornblumen, Kamill, Mohn. Immer wieder sehe ich voller Freude die Alleen mit ihren gewölbten Baumkronen. – viele Störche, Füchse, Rehe, Fasanen ... Kraniche sehen wir.
Sehr viel Land liegt brach. Dann und wann ein Kartoffelfeld oder ein Kornfeld. Auf einem Acker kommt ein Mann mit einem Pflug und einem Pferd davor. Ja, die Menschen hier sind arm, sehr arm! Das heutige Westpommern ist die ärmste Region des polnischen Staates.
Groß-Krössin 1994, du siehst so traurig aus! Ein halbes Jahrhundert hat dich gezeichnet.
Ich werde mein geliebtes Groß-Krössin teils mit Wehmut, aber überwiegend mit Freude in Erinnerung behalten.
Rudi und Anneliese Dorow danke ich. Sie haben diese eindrucksvolle Reise großartig organisiert.
Auch meiner Angelika danke ich herzlich, denn sie ist die Initiatorin meines &dbquo;Werkes“. Erst sträubte ich mich, aber jetzt bin ich froh, dass ich es durchgeführt habe. Ich hoffe, dass meine Kinder und Enkel interessiert den Bericht meiner Erinnerungen und Erlebnisse vom Juni 1994 in Pommern lesen, ja vielleicht nachempfinden werden.
Das war´s!
Oktober 1994
Charlotte Kraft, geb. Ehlert