Kleines Ratzebuhrer-Treffen in Timmendorfer Strand – Niendorf.
11. bis 13. September – 29 Teilnehmer
Als ich am Freitagnachmittag auf unseren Tagungsort Hotel Friedrichsruh zuging, schaute ich gleich auf das Fenster des Einzelzimmers oben rechts. Ich wußte, ihn würde ich dort nicht mehr sehen können, Heinz Wille. Er war am 4. August verstorben, einen Tag nach seinem 96. Geburtstag.
Sowohl zu den Treffen in Niendorf wie auch in Widdig wurde er immer von einem seiner beiden Söhne gebracht. Meistens war er schon einer der Ersten vor Ort, und er wartete von seinem Fenster aus mit seiner aufrechten, hohen Gestalt, wer denn alles wieder kommen werde.
Er war ein unerschöpflicher Quell an Kriegsgeschichten, hatte er ihn doch in voller Länge erlebt und überlebt. Und er war noch einer der wenigen Zeitzeugen, die etwas aus der Heimat aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg berichten konnten. Eine treue Seele, die nun ruht!
16 Personen hatten sich schon am Freitag eingefunden. Trotz manch anstrengender Anfahrt saßen wir schon in launigen Gesprächen bis nach 22 Uhr zusammen. Die Wiedersehensfreude ist immer wieder sehr groß.
Am Samstagmorgen bummelten wir auf der Strandpromenade, einige schauten sich auch das ergänzte Denkmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs bei der Waldkirche an. Und dann ging es – zusammen mit unseren Misdroyer Freunden – auf das Schiffchen Hanseat II zu einer 'Erlebnisfahrt' auf die Ostsee. Wir starteten bei Sonnenschein und einem mit eifrigen Wölkchen bedeckten Himmel vom Niendorfer Hafen, fuhren zunächst bis Scharbeutz-Haffkrug, um dann auf das Brodtener Steilufer zuzuhalten. Vorbei an vielen kleinen Segelbooten schlüpften wir in das Gebiet der Untertrave, erfreuten uns an der 'Passat' und den schönen Häusern der Vorderreihe in Travemünde und fuhren bis zum Skandinavienkai. Mächtige Fähren ließen Fernweh aufkommen – und oben hoch grüßten die roten Dächer unseres Pommernzentrums. Zu schnell waren wir wieder im Niendorfer Hafen – eine gelungene Nachmittagstour!
Im Hotel folgte ein offizieller Teil mit Totenehrung und einem Bericht über die Arbeit des Heimatkreisausschusses Neustettin. Lange wieder saßen wir danach zusammen und erzählten.
Am Sonntag besuchten einige Teilnehmer das Heimatmuseum Kreis Neustettin in Eutin, und um 14 Uhr startete die traditionelle Kaffeerunde zum Abschluß. Sehr bald hatten wir wieder alle Tische zu einer einzigen Tafel zusammengestellt, und schon ging es los mit &dbquo;Weißt Du noch?“ und &dbquo;Damals...“
Aber hier fehlte eine Person, unsere liebe Gerda Kulartz, geb. Dittmann. Im letzten Jahr hatte sie noch alle mit ihren Geschichten und ihrem Wissen (sie wußte 'alles' über Ratzebuhr, Lümzow und umzu) in Hochstimmung versetzt. Und obwohl wir und auch sie damals schon wußten, daß sie nicht mehr lange zu leben hatte, war sie doch voller Elan, fröhlich und voller Erzählfreude. Wehmütig waren wohl nur wir, wenn wir einen Augenblick über ihr Schicksal nachdachten, aber mit ihrem Lachen verdrängte sie solche Gedanken.
Wie sehr habe ich gelacht und mich gefreut, als sie die folgende Geschichte erzählte: &dbquo;Ues Ultsch kunnt kaum noch gehen und sehen; sie saß auf einem Stuhl im Hof. Da hat einer von uns Jöhren sie mit einem verkohlten Kienspan im Gesicht schwarz gemalt. Kam eine Nachbarin und fragte:
&dbquo;Noah Dittmannsch, Düwel do wäst ?“
Wir bogen uns vor Lachen und hatten Freudentränen in den Augen.
Waren wir dieses Mal auch nicht so wild wie im Jahr zuvor, so gab es doch auch wieder manch spaßige Neuigkeit, die noch nicht jeder kannte. Die letzten Teilnehmer verabschiedeten sich um 20 Uhr.
Heinz Wille und Gerda Kulartz, zwei feste Bestandteile unserer früheren Treffen, fehlten zum ersten Mal. Sie waren
'Menschen, die man nie vergißt.'
Dr. Siegfried Raddatz