Der im September 2001 in Travemünde neu gewählte Heimatkreisausschuß (HKA) Neustettin hatte auf seiner Sitzung am 22.8.2002 beschlossen, eine Busreise nach Neustettin durchzuführen. Darüber wurden die Neustettiner Heimatfreunde im Informationsbrief vom September 2002 informiert. Die Kulturreferentin des HKA, Frau Anneliese Zech, übernahm die Organisation dieser Reise.
Es war die erste vom HKA Neustettin organisierte Reise nach über zehn Jahren, und das Interesse war daher sehr groß. Es meldeten sich über 90 Teilnehmer, und so mußte mit zwei Bussen der Firma Radmer-Reisen gefahren werden. Die Aufnahmekapazität im vorgesehenen Hotel Resiedence reichte dafür nicht aus; die Reisegruppe mußte auf vier Hotels verteilt werden (neben dem Hotel Resiedence noch das Hotel Pojezierze, die Pension Zolty Dom und das Hotel Elektor in Tempelburg). Für die Hinreise wurde nach dem Grenzübergangspunkt Pomellen die schöne Strecke durch die Pommersche Seenplatte über Freienwalde, Dramburg, Falkenburg und Tempelburg gewählt.
Der erste Tag in der Heimat war für Besichtigungen in Neustettin und für Besuche in den Heimatorten vorgesehen. Beide Reisebusse standen für diese Fahrten zur Verfügung. So konnten alle Teilnehmer ihre Heimatorte – überwiegend im südlichen Teil des Kreises Neustettin wie z.B. Soltnitz, Thurow, Lottin, Naßglienke, Vangerow, Trabehn, Ratzebuhr, Krangen und Groß-Born – erreichen. In einigen Fällen – im nördlichen Teil des Kreises wie z.B. Eschenriege und Elfenbusch – wurden private Taxen angemietet.
Die in Neustettin verbliebenen Teilnehmer – vornehmlich ehemalige Neustettiner – besuchten die Stätten ihrer Kindheit und Jugend: ihre Häuser, Wohnungen, Straßen, Plätze, den Friedhof, die Kirche und die Schulen. Zwischendurch trafen wir uns auf der Promenade am Streitzigsee oder in den Restaurants am Ufer, von wo aus wir die einst so vertraute herrliche Seenlandschaft mit Mauseinsel, Hechtberg und Schwaneninsel (dem beliebten ‚Liebesnest‘) genießen konnten – ein Panorama, wie es schöner nicht sein kann ! Einige Spaziergänge am See führten auch zum schön gelegenen Dorf Streitzig oder gar um den gesamten See.
Ein weiterer Treffpunkt war immer wieder die ansprechend gestaltete Fußgängerzone sowie der Marktplatz mit dem alten Rathaus, mit alten und neuen Häusern und dem neuen Brunnen. Auch hier luden freundliche Straßencafés zum Verweilen ein.
Um 18.00 Uhr nahmen viele Teilnehmer der Reisegruppe an dem Empfang im historischen Rathaussaal teil, zu dem der Bürgermeister, Herr Marian Tomasz Golinski, und sein Stellvertreter, Herr Jacek Piotrowski, eingeladen hatten. Teilnehmer war auch der Vorsitzende der Deutschen Minderheit für den Kreis Köslin, Herr Peter Jeske aus Bublitz. Die Ansprachen von Herrn Golinski und von unserem HKA - Vorsitzenden, Herrn Dr. Raddatz, waren vom Geist der Annäherung und des gegenseitigen Verständnisses und Respekts geprägt. Sie wurden übersetzt von Herrn Hans-Jürgen Keun (Enkel des früher sehr bekannten Hoteliers Keun - Keuns Hotel!) und von Frau Ursel Solka aus Ratzebuhr (früher Vangerow). Herr Golinski überreichte Herrn Dr. Raddatz eine gerahmte Graphik des Neustettiner Rathauses (seit kurzem in unserem Heimatmuseum des Kreises Neustettin in Eutin zu sehen), und Dr. Raddatz revanchierte sich mit Bildbänden unserer Patenstadt Eutin und unseres Patenkreises Ostholstein. Zum Abschluß dieser Veranstaltung wurde die erste Strophe des Pommernliedes gesungen.
Auch die zweiten und dritten Aufenthaltstage wurden von einigen Teilnehmern zur Vertiefung ihrer privaten Kontakte und Freundschaften in ihren jeweiligen Heimatorten genutzt, während die Mehrheit an der Rundreise durch die Pommersche Schweiz (Sonnabend) und der Fahrt nach Kolberg (Sonntag) teilnahmen.
Die Pommersche Schweiz ist eine von der letzten Eiszeit geprägte Endmoränenlandschaft mit Bergen bis über 200 m und zahlreichen Seen, sehr schön und abwechslungsreich. Höhepunkte der Rundfahrt waren Bad Polzin mit dem Kurpark, Alt - Draheim mit der Landenge zwischen dem Dratzigsee und dem Sarebensee und der Burgruine (etwa 1300) sowie das Städtchen Tempelburg mit den beiden sehr unterschiedlichen Kirchen, der historischen Stadtkirche St. Trinitatis (1753) und der 1830 nach Plänen von Schinkel an der Ostseite des Marktes errichteten evangelischen Stadtkirche. Der jetzige polnische Pastor ließ es sich nicht nehmen, freundliche Begrüßungsworte an uns zu richten und die Historie der beiden Kirchen zu erzählen.
Sehr interessant war auch das ehemalige Militärgelände von Groß-Born mit dem riesigen Offizierskasino und der ‚bombastischen‘ Freitreppe zum Pielburger See, die jetzt von der Natur langsam zurückerobert wird.
Die Fahrt nach Kolberg verlief nach dem Motto ‚Von der Quelle bis zur Mündung der Persante‘ über Persanzig (Quelle), Flackenheide, Gramenz, Grünewald, Naseband, Villnow zunächst bis Groß - Tychow. Hier wurde der große Findling aus der Eiszeit besichtigt. In Kolberg wurde am Hotel ‚New Skanpol‘ Halt gemacht mit Gelegenheit zu einer kurzen Stadtbesichtigung, einer kleinen Stadtrundfahrt und Spaziergängen zum Strand und zum Hafen mit der Einmündung der Persante.
Am Sonntagabend um 20.00 Uhr fand in der Nikolaikirche zu Neustettin ein evangelischer Gottesdienst statt, der von dem evangelischen Gemeindepfarrer in Köslin, Herrn Pastor Staszczak, in deutscher Sprache gehalten wurde. Die Einführung nahm der Hausherr der Kirche, sein katholischer Kollege, Pastor Jesianowski, vor. An diesem Gottesdienst nahmen auch der Bürgermeister mit seiner Gattin, sein Stellvertreter und einige polnische (katholische) Gemeindemitglieder teil. Zum Schluß wurden alle fünf Strophen des Pommernliedes gesungen. Vor der Kirche traf man sich noch zu einer Begegnung.
Nach diesen schönen und erlebnisreichen Maientagen bei fast stets gutem Wetter mußte wieder die Heimreise angetreten werden, die über Streitzig am Raddatzsee vorbei und weiter über Osterfelde, Bärwalde, Bad Polzin, Schivelbein, Regenwalde, Plathe und Naugard verlief.
Außer vereinzelten Staus und unfallbedingten Umwegen gab es keine ernsthaften Zwischenfälle. Alle Reiseteilnehmer wurden wohlbehalten an ihren jeweiligen Zusteigepunkten abgesetzt und verabschiedet.
Am Rande bleibt zu erwähnen, daß gleichzeitig mit uns eine Reisegruppe aus Stepen in Neustettin weilte, was zu plötzlichen und unerwarteten, freudigen und interessanten Begegnungen führte.
Beim Abschied von Neustettin dankte Herr Dr. Raddatz Frau Anneliese Zech für die gute Organisation der Reise und allen Teilnehmern, die – jeder für sich – durch gute Laune und Verständnis füreinander zum guten Gelingen dieser Reise beigetragen haben. Zu danken ist natürlich auch der Firma Radmer, den beiden umsichtigen Busfahrern und Herrn Radmer selbst, der die Reise begleitet hat.
Martin Podewils, HKB Neustettin