Das elegante Motorschiff ‚Bayern’ lag vertäut am Steg vor dem Restaurant ‚Jolka’ am Streitzigsee, Schwäne flogen mit pfeifendem Flügelschlag über den See und landeten mit weit vorgestreckten Füßen auf dem Wasser, kleine Fische kringelten Kreise auf der spiegel-glatten Wasseroberfläche, Enten mit ihren lebhaften Güsseln schwammen am Ufer, Rallen tauchten und fütterten mit dem erbeuteten Grünzeug ihre winzigen Küken.
Dieser Anblick bot sich den Teilnehmern der Reise am Abend des 6. Juni 2007, als sie nach langer Busfahrt ihre schöne Heimatstadt erreicht hatten.
Der Heimatkreisausschuß Neustettin hatte zur dritten Heimatreise eingeladen und die Firma Radmer-Reisen mit der Durchführung betraut. Der Bus war mit 50 Reiseteilnehmern voll besetzt. Hinzu kamen drei mit eigenem Auto angereiste Personen.
Leider gibt es in Neustettin noch kein Hotel, das eine derart große Reisegruppe aufnehmen kann, und so mussten die Teilnehmer auf die drei Hotels Resiedence, Zolty Dom und Pojezierze aufgeteilt werden.
Die Fahrt war ohne Zwischenfälle verlaufen, und wir kamen pünktlich an. Nach einem guten Abendessen begab man sich bald zur Ruhe, um am nächsten Morgen ausgeruht den ersten Tag zu beginnen. Es war Fronleichnam und ein strahlend schöner Sommertag.
In kleinen Gruppen gingen die Neustettiner in den ausgedehnten Parkanlagen am Streitzigsee und in der Stadt spazieren. Man konnte der Fronleichnamsprozession zusehen und die reich geschmückten Altäre zu diesem hohen katholischen Feiertag bewundern.
Die aus dem Landkreis Neustettin stammenden Personen organisierten private Fahrten in ihre früheren Heimatorte, z.B. Ratzebuhr, Althütten, Altenwalde, Altpriebkow, Groß Küdde, Hammerstein, Klein Dallenthin, Grünewald, Krangen, Lottin, Trabehn, Wurchow, Krummensee, Vangerow und Eggebrechtsmühle.
Am zweiten Tag stand ein Ausflug an die Ostsee auf dem Programm. Die Fahrt durch unser schönes pommersches Heimatland führte über Köslin, Großmöllen und am Jamunder See entlang nach Rügenwaldermünde, wo man bei kühlem, aber sonnigem Sommerwetter die frische Meeresluft genießen konnte.
Auf der Rückfahrt wurde am Schloßhotel in Krangen gehalten. Die Teilnehmer waren begeistert von diesem imponierenden Gebäude, mit dessen Bau bereits im Jahre 1490 begonnen wurde. Es war nach dem Krieg total heruntergekommen und wurde durch private Initiative umfassend renoviert und zu einem Hotel umgestaltet. Gegenüber früheren Besuchen fiel auf, dass der Eingangsbereich neu gestaltet und begrünt worden ist. Für PKWs steht jetzt ein bewachter und beschrankter Parkplatz zur Verfügung. Interessant war der Besuch der Kapelle mit der Gruft der früheren Schloßherren, die im 17. Jahrhundert gelebt haben. Die Orgel auf der Empore sieht täuschend echt aus, ist aber eine Attrappe aus Holz.
Am Abend dieses Tages wurde die Reisegruppe im Hotel Resiedence vom Bürgermeister von Neustettin, Herrn Jerzy Hardie-Douglas, in Begleitung von Pressereferent Konrad Czaczyk besucht. Herr Hardie-Douglas begrüßte die Teilnehmer und beantwortete Fragen aus ihrem Kreise. Hauptthema war die Errichtung eines Gedenksteines zu Ehren unserer Toten. Der Bürgermeister bekräftigte seine bisherige Haltung, dass er sich für den Bau des Gedenksteines einsetzen werde. Als neuer Standort sei jetzt ein Platz im Park am Streitzigsee unterhalb des Hotels Zolty Dom vorgesehen. Bevor er sich verabschiedete, wünschte Herr Bürgermeister Hardie-Douglas der deutschen Reisegesellschaft noch einen schönen Aufenthalt in Neustettin.
Das Gespräch wurde von Frau Lotta Sosinska und von Frau Monika Zimna- Pietrzyk übersetzt.
Der letzte Aufenthaltstag in Neustettin wurde noch einmal zur Vertiefung der persönlichen Kontakte in der Stadt und den Heimatorten im Landkreis Neustettin genutzt. Einige Teilnehmer haben auch das Lapidarium auf dem Friedhof und das Museum in einem Gebäude der früheren Friedrichschule besucht.
Nach langen Jahren gibt es nun wieder die Möglichkeit einer Bootsfahrt auf dem Streitzigsee. Davon wurde reger Gebrauch gemacht.
Mit der MS ‚Bayern’ werden fahrplanmäßige Rundfahrten um den Streitzigsee durchgeführt, wobei an allen bekannten Anlegestellen (z.B. Streitzig, Mauseinsel und Viktoriabrücke) angelegt wird. Der Preis für die Rundfahrt beträgt sechs Zloty; Rentner zahlen die Hälfte, Kinder unter vier Jahren und Schwangere nichts.
Interessant war ein Besuch im Staatsarchiv, zu dem Herr Direktor Slawomir Miara eingeladen hatte. Leider haben nur wenige Teilnehmer die Gelegenheit wahrgenommen, das Archiv zu besichtigen. Herr Miara hat uns in Begleitung des Ehepaares Pietrzyk in alle Räume des Archivs geführt, wobei Frau Pietrzyk die Unterhaltung übersetzte. Dort lagern Kataster- und Grundbuchdokumente der Stadt und des Kreises Neustettin aus dem 19. Jahrhundert bis 1944.
So war es z.B. möglich, nach kurzem Suchen eine ‚Erbhofrolle Grünewald’ mit Eintragungen vom 19. Jahrhundert bis 1943 zu finden. In der Kürze der Zeit konnte jedoch kein vollständiger Überblick über die dort vorhandenen Dokumente gewonnen werden.
Herr Direktor Miara ist sehr interessiert an Anfragen aus Deutschland.
Seine Anschrift lautet:
Direktor Archiv Slavomir Miara, ul. Parkowa 3, PL-78-400 Szczecinek, slavekszek@wp.pl.
Er ist auch Autor von Zeitungsartikeln über historische Themen aus Neustettin, insbesondere
über das Leben in den ersten Jahren nach dem Krieg.
Der Kontakt zu Herrn Dir. Miara wurde von Herrn Jaroslaw Pietrzyk hergestellt, der sehr interessiert ist an Berichten über die Ereignisse kurz vor Kriegsende bis zur Vertreibung.
Er wäre auch dankbar für Dokumente und Bilder aus dieser Zeit. Seine Anschrift lautet:
Jaroslaw Pietrzyk, ul. Kopernika 19 B / 10, PL-78-400 Szczecinek; seine e-mail- Adresse lautet: jarekpi@poczta.fm., Tel. 0048-9437-47566, mobil: 0048-607-910-032.
Am letzten Abend fand in der Nikolaikirche ein Gottesdienst statt, der von dem evangelischen Gemeindepfarrer, Herrn Pastor Janusz Staszczak, in deutscher Sprache gehalten wurde.
Daran nahmen auch Vertreter der deutschen Minderheit teil.
Am Schluss wurden alle Strophen des Pommernliedes unter den mächtig aufrauschenden Orgelklängen der Nikolaikirche gesungen.
Nach diesen schönen und ereignisreichen Tagen musste dann wieder die Heimreise angetreten werden, die über Groß Born, Tempelburg, Falkenburg, Dramburg und Freienwalde verlief.
Abschließend ist allen Teilnehmern zu danken, die durch gute Laune und Verständnis füreinander zum Gelingen dieser Reise beigetragen haben.
Martin Podewil
Stellv. Heimatkreisbeauftragter
des HKA Neustettin
2 Fotos von Hans-Jürgen Warmbier
5 Fotos von Konrad Czaczyk
1 Foto von Dr. Siegfried Raddatz